Verjährung und Verwirkung von Unterhaltsansprüchen
Auch wenn ein Unterhaltsgläubiger einen Titel gegen einen Unterhaltsschuldner hat,
kann er sich nicht zurücklehnen. Er muss sich um den Unterhalt kümmern. D.h. er
muss den Unterhalt regelmäßig einfordern. Sonst könnte es passieren, dass der
Unterhaltsanspruch verwirkt/verjährt ist.
Ein Unterhaltsschuldner ist berechtigt, die Leistung zu verweigern, wenn er dem
Unterhaltsanspruch die Einrede der Verjährung gemäß §§ 195, 214 BGB oder den
von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwand der Verwirkung erfolgreich
entgegen halten kann.
Unterhaltsansprüche verjähren in drei Jahren, wenn sie fällig sind.
Da der Unterhaltsanspruch von den stets wandelbaren Voraussetzungen der
Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers und der Leistungsfähigkeit des
Unterhaltsschuldners abhängt, entsteht er für jeden Monat neu. Das heißt
Verjährung / Verwirkung greift nur für die einzelnen, monatlich fällig werdenden
Unterhaltsansprüche, die aus dem Unterhaltsstammrecht fließen. Das Stammrecht
an sich kann nicht verwirkt werden. Nur die einzelnen, aus dem Stammrecht
fließenden rückständigen Unterhaltsansprüche verjähren bzw. werden verwirkt.
Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch
entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen
und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat.
Nicht titulierte Unterhaltsansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist
von drei Jahren gemäß § 195 ZPO. Die Verjährungsfrist ist relativ kurz, da nur so
die existenznotwendige zeitnahe Durchsetzung seitens des Unterhaltsgläubigers
gesichert werden kann.
Bei titulierten Unterhaltsansprüchen sieht es anders aus. Grundsätzlich unterliegen
zwar rechtskräftig festgestellte Ansprüche als auch vertraglich vollstreckbare Titel
der 30jährigen Verjährungsfrist gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3. u. 4. ZPO.
Bei Unterhaltsansprüchen ist jedoch gemäß § 197 Abs. 2 zu unterscheiden:
1.
titulierte, rückständige Unterhaltsansprüche verjähren nach 30 Jahren
2.
künftig fällig werdende, titulierte Ansprüche unterliegen der regelmäßigen
Verjährungsfrist von nur drei Jahren.
Schutz vor drohender Verjährung bietet neben der für den Trennungs- und
Verwandtenunterhalt bestehenden Hemmung der Verjährungsfrist auch § 212 Abs.
1 Nr. 2 ZPO. Mit jedem Antrag auf eine Vollstreckungshandlung beginnt die
Verjährungsfrist von Neuem zu laufen. Kann eine solche Vollstreckungshandlung
nicht beantragt werden, etwa weil der Unterhaltsschuldner unbekannten Aufenthalts
ist, muss der Unterhaltsgläubiger erneut die vor Ablauf der Verjährungsfrist
abgelaufenen Unterhaltsrückstände titulieren lassen, um einer etwaigen späteren
Verjährungseinrede auszuweichen.
Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt dann vor, wenn die
Feststellungsklage als ultima ratio den Eintritt der Verjährung verhindern kann.
Dieser Feststellungsklage fehlt aber dann das Rechtsschutzinteresse, wenn der
Unterhaltsgläubiger einen Neubeginn der Verjährung unschwer dadurch
herbeiführen kann, dass er einen Antrag auf Zwangsvollstreckung aus dem
vorhandenen Titel stellt.
Die Verwirkung eines Anspruches auf Unterhalt kommt ebenfalls in Betracht. Hier
muss das sogenannte Zeit- und Umstandsmoment vorliegen. Der Anspruch ist
verwirkt, wenn der Unterhaltsgläubiger diesen eine längere Zeit nicht geltend macht,
obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre und der Unterhaltsschuldner sich wegen
dieser Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hinweg bei
objektiver Beurteilung nach seinem Gesamtverhalten darauf einrichten durfte und
auch eingestellt hat, dass der Unterhaltsgläubiger sein Recht auch in Zukunft nicht
mehr geltend machen wird. Beim rückständigen Unterhalt muss Zeit- und
Umstandsmoment gleichzeitig vorliegen.
Das Unterhaltsstammrecht, also die Unterhaltsberechtigung dem Grunde nach,
kann grundsätzlich nicht verwirkt werden. Ausnahmen sind z. B. dann, wenn ein
besonders schwerwiegendes Fehlverhalten des Unterhaltsgläubigers gegenüber
dem Unterhaltsschuldner vorliegt.
Zum Zeitmoment ist zu sagen, dass der Unterhalt immer der Existenzsicherung
dient. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltszahlung
angewiesen ist, weil er vom Unterhalt leben muss, muss daher erwartet werden,
dass er sich zeitnah um die Durchsetzung seines Anspruches bemüht und
Unterhaltsrückstände nicht zu Lasten des vertrauensseligen Schuldners anwachsen
lässt.
Verwirkung nicht titulierter Unterhaltsansprüche
Hier sind an das Zeitmoment keine strengen Anforderungen zu stellen. Es wird
erwartet, dass ein Unterhaltsgläubiger seinen Anspruch geltend macht.
Verwirkung titulierter Unterhaltsansprüche
Hier kann nur in Ausnahmefällen vom Titelgläubiger innerhalb der
Vollstreckungsverjährung die zwangsweise Durchsetzung seines festgestellten
Anspruches verweigert werden.
Es ist umstritten, ob auch ein minderjähriges Kind titulierte Unterhaltsansprüche
trotz § 207 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB verwirken kann. Nach der Rechtsprechung des
BGH unterliegen auch erst nach der Titulierung fällig gewordene Ansprüche eines
minderjährigen Kindes dem relativ kurzen Zeitmoment (BGH FamRZ 1999, 1422).
Von einem Unterhaltsgläubiger wird immer erwartet, dass er sich zeitnah um die
Durchsetzung der Unterhaltsrückstände bemüht.
An das Umstandsmoment sind jedoch bei der Verwirkung im Rahmen der
gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber Minderjährigen und privilegiert volljährigen
Kindern besonders strenge Anforderungen zu stellen. Hier kann der
Unterhaltsschuldner grundsätzlich nicht ohne weitere Anhaltspunkte davon
ausgehen, dass die Kinder auf andere Weise ihren Bedarf gedeckt hätten.
Fachanwältin für Sozialrecht